Kriegs- und direkte Nachkriegszeit
Systematische Ausschaltung politischer Gegner
Die Kriegsjahre können nicht ohne Berücksichtigung der systematischen Ausschaltung von politischen Gegnern und des Holocaust betrachtet werden. Bis zum „siegreichen Frankreichfeldzug“ war die Zustimmung zum NS-Regime auch in Reken gewachsen, schien man doch Dank des „von Gott gesandten Volkskanzlers Adolf Hitler“ auf der siegreichen Seite und durch die wie selbstverständlich akzeptierten Ausbeutung von Zwangsarbeitern war auch die Versorgung noch gesichert. Schon am 26. Und 27. Mai 1940 Bomben in Maria-Veen angedeutet hatten, dass der Krieg auf die Angreifer zurückfallen würde. Und selbst die Tatsache, dass der Westfeldzug auch das Leben von Rekener Männern im Fronteinsatz ausgelöscht hatte, wurde all dies noch vom „Siegesgeläut“ der Kirchenglocken übertönt.
Mit dem Überfall auf die Sowjetunion am 22.6.1941 war hinter vorgehaltener Hand auch Rekenern klar, dass es bald mit „Blitzsiegen“ vorbei sei. Spätestens seit „Stalingrad“ war der „Endsieg“ zum Mythos verkommen. Nur mit verstärktem Terror, Denunziantentum und der Kriegs- und permanenter Siegrhetorik auch in lokalen Zeitungen hielt man die Gesinnungsreihen geschlossen.
<Bild Hof Wortmann in Klein-Reken nach einem Bombenangriff im Jahre 1940.jpg> <Bild Der zerstoerte Dachstuhl des Hofes Wortmann Klein-Reken.jpg> |
Der Hof Wortmann in Klein Reken nach einem Bombenangriff im Jahre 1940.
Bei weiteren Angriffen alliierter Fliegerverbände kamen auch in Reken Menschen um. Der Propagandamaschinerie zufolge waren dies „Terrorangriffe alliierter Luftbanditen“ gegen die Rekener Bevölkerung. Dass aber schon im September 1939 deutsche Bomber im polnischen WieluÅ„ etwa 1300 Menschen ermordet und auch schon 1936 das spanische Guernica durch die deutsche Wehrmacht dem Erdboden gleich gemacht worden war, dass in Reken ausgeladene V2-Raketen Tod und Verderben nach Großbritannien oder Rotterdam bringen sollten, wurde als eigentlicher Grund für das nun einsetzende Leid der Bevölkerung verdrängt.
Jetzt sah man sich in Reken sich selbst als Opfer. Das eigene Leid wurde mit den Kriegsgreuel der Wehrmacht sozusagen verrechnet. Gräber auf dem Friedhof in Maria Veen machen nur allzu deutlich, dass in Reken bis Anfang April um den „Endsieg“ gefochten und der Ort keineswegs friedlich übergeben wurde.
Zeigten Bürger offen ihre Abscheu gegen Machenschaften von Parteigenossen, so hatten diese die Macht, jene Menschen dies spüren zu lassen. So wurden beispielsweise vier Söhne des Wirts Schneermann eingezogen, von denen drei in Russland umkamen.
Insgesamt starben fast 450 Rekener Männer „für die Erweiterung des Lebensraums des deutschen Volkes“ an der Kriegsfront. Ein Funktionär mit derlei Machtbefugnissen war der damalige Bürgermeister und Parteigenosse Franz Bösing, der selbst aber die Front mied bzw. vermeiden konnte.
Kommunale Selbstverwaltung nach dem 2. Weltkrieg
Die Kommunale Selbstverwaltung nach dem Ende des 2. Weltkrieges lässt auch auf dem Gebiet der Gemeinde Heiden-Reken eine bemerkenswerte Kontinuität erkennen. Kurzgefasst hieß es: Rücke einen vor.
<Bild Fritz Letsch>
BU: Fritz Letsch, Amtsdirektor ab 1945
Aus dem ersten Angestellten der Gemeindeverwaltung Heiden unter Bösing, Fritz Letsch, vom 1.5.33 an Mitglied der NSDAP, wurde am 2.8.45 der erste Amtsdirektor, Herr Roring rückte zum Standesamtsleiter auf usw.
<Bild Hermann Ehlker>
BU: Hermann Ehlker, Bürgermeister ab 1945
In Reken wurde von der Militärverwaltung Hermann Ehlker als Bürgermeister beauftragt, auf Anordnung der Militärbehörde alle Parteimitglieder aus der Verwaltung zu entlassen. Mitglieder eines „Antifa-Komitees“ forderten ein Mitspracherecht und eine Beteiligung an der Verwaltung. Hermann Ehlker war jedoch der Meinung, für einen Neuanfang bedürfe es der Mitwirkung „erfahrener“ Verwaltungsbeamter. So arbeiteten auch in Reken Verwaltungsangestellte aus Bürgermeister Bösings Zeiten weiter. Der Journalist und Jurist Heribert Prantl umschreibt diese seinerzeit weitverbreitete Vorgehensweise mit folgenden Worten: „Die Beamten hatten Adolf Hitler von der Wand gehängt und verwalteten weiter.“ (aus Prantls Beitrag „Kalte Amnestie“ in der SZ).
Literaturauswahl
Heimatverein Reken (Hrsg.), Ulrich Hengemühle (Autor):
„Reken 1900-1945“
Reken, Selbstverlag
Buch, 2020
Heimatverein Reken (Hrsg.):
„Mitten unter uns – Geraubte Leben in Reken 1933-1945“
Reken, Selbstverlag
Buch, 2020
Peter Longerich:
„Politik der Vernichtung: Eine Gesamtdarstellung der nationalsozialistischen Judenvernichtung“
München, Piper Verlag
Buch, 1998
Harald Welzer:
„Täter. Wie aus ganz normalen Menschen Massenmörder werden“
Frankfurt/M., Fischer Verlag
Buch, 2007
Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), Harald Welzer (Autor):
„Die Deutschen und ihr Drittes Reich“
bpb
Online-Artikel, 2007
https://www.bpb.de/apuz/30543/die-deutschen-und-ihr-drittes-reich
Wikipedia (Hrsg.), verch. Autoren:
„Jüdische Gemeinde Reken“
Wikimedia Foundation Inc.
Online-Artikel, 2022
https://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%BCdische_Gemeinde_Reken
Süddeutsche Zeitung (Hrsg.), Heribert Prantl (Autor):
„Kalte Amnestie“
Süddeutsche Zeitung
Online-Artikel, 2018
https://www.sueddeutsche.de/politik/prantls-blick-zum-katholikentag-die-spucke-im-gesicht-gottes-1.3987734